Donnerstag, 30. Dezember 2010

Arbeit und Lohn

Arbeit und Lohn können von politischen und wirtschaftlichen Eliten unterschiedlich verteilt werden:

In der heutigen wirtschaftlichen Organisationsform [in Lohnwirtschaften] ist die Höhe (bzw. die faktischen Kosten) des Lohnes in der Tat einer der entscheidenden Faktoren für die Höhe der Arbeitslosigkeit.
Beispiele für staatliche (gesetzliche) Ursachen für Arbeitslosigkeit
[also das praktische Nicht-Zusammenkommen von Arbeitsangebot (ist vom Menschen abhängig) und Arbeitsnachfrage (ist prinzipiell nicht begrenzt)]
können sein:
Starre Zunftregularien, keine freie Berufswahl oder eingeschränkt erlaubter Wohnortwechsel, die das Reagieren auf regionalen, branchenspezifischen, strukturellen etc. „Arbeitsmangel“ (durch z.B. Umzug, Umorientierung, Umschulung) hemmen oder unattraktiv machen.

In – diesbezüglich – derzeit wirtschaftsrechtlich liberal organisierten Staaten spielt solche feudale Schollenpolitik keine große Rolle (von den Berufskammern als Nachfolger der Zünfte abgesehen).

Grundsätzlich ist es auf Erden so: Arbeit ist genug vorhanden, sie ist nur ungleich verteilt.

Wenn man die Verteilung von Arbeitskräften nach dem jeweiligen Angebot durch starr festgelegte Löhne (Lohnhürde) verhindert oder (durch hohe Steuern oder durch konkurrierende Angebote [wie Sozialtransfers] unattraktiv macht, steigt die Arbeitslosigkeit.
Wenn man Vollbeschäftigung (herrschaftspolitisch) wollen würde, hätte man wohl zwei Möglichkeiten:
1. Man müsste öffentlich subventionierte Arbeitsstellen (im öffentlichen Sektor oder z.B. nach Keynes mit „Löcher buddeln und wieder zuschütten“) schaffen. Dann müsste die Leistungsfähigkeit der wertschöpfenden „freien“ Wirtschaft, die diese unproduktiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ja finanzieren muss, aber deutlich steigen.
2. Man senkt die Löhne in den Bereichen, in denen sie durch Tarif- oder Mindestlöhne über dem Produktivitätsniveau liegen, auf ein dem Gegenwert dieser Arbeit entsprechendes Niveau ab. Das ginge in der Praxis aber nicht per Gesetz, sondern nur durch freie, das heißt am Markt gebildete Löhne. Dann würde viele Arbeit getan werden können, deren Angebot sich heute nicht lohnt. Aber: Das würde gegen etliche Interessen im etablierten korporatistischen Wirtschaftssystem verstoßen:
Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber-Verbände würden ihr Aushandlungsmonopol verlieren.
Die linkspopulistischen Politiker (aller Parteien) würden Sturm laufen und mit Hilfe der linken Medienmehrheit sogar in Bayern (haha, ich weiß da regiert ja bereits die populistisch bisher sehr geschickte CSU) eine schwarz-rot-rote Koalition erreichen.
Was aber für uns, als Normal-Bürger zählt: Es würde viele Jobs mit (für westlich-kapitalistische Verhältnisse) geringer Bezahlung geben. Und hier stellt sich die Frage eben auch für den Normalbürger und „Konsumenten“ bzw. „Nachfrager“ von politischen Herrschaftsangeboten:

Wäre Vollbeschäftigung denn wirklich so dufte?

Vollbeschäftigung im öffentlichen Sektor mit netten Jobs in Verwaltung und beim Löcherbuddel-Amt: Ok.
Aber: Viele neue marktwirtschaftlich nützliche und sinnvolle Jobs, die aber relativ (im Vergleich zum Durchschnitt -> und „niemand“ will natürlich Durchschnitt sein, aber Mitte und Mainstream wollen halt doch die meisten irgendwie sein, so auch beim Gehalt – mindestens.) wenig Gehalt bringen?

Gegenmodell: Sozialstaat und Lohngrenze
Das heutige Modell hat auch seine Vorzüge, auch wenn es mit mehr oder weniger großer Arbeitslosigkeit umgehen können muss (Also das Modell muss damit nicht umgehen, sondern die Menschen, die dieses heutige Modell [passiv oder aktiv] mehrheitlich tragen).

Es sorgt für Lohnuntergrenzen (Tarif- und Mindestlöhne etc.) und jeder der so produktiv ist, dass sich seine Arbeit für dieses Mindestgeld noch lohnt, bekommt eine Arbeit und profitiert von der Grenzziehung. Denn die die nicht an die Produktivitäts-Lohn-Grenze kommen, erhalten keine Arbeitsstelle und dadurch ist die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Leute oberhalb der Lohngrenze geringer -> Weniger Stress, weniger Leistungsdruck.

Negativ ausdrücken kann man das natürlich auch: Die Arbeitsplatzbesitzer werden auf Kosten der Unflexibilität des Arbeitsmarktes (und damit der wirklich primär arbeitsuchenden Arbeitslosen) von „Billigkonkurrenz“ abgeschottet. Das sorgt für eine hohe Sockelarbeitslosigkeit.

Wie man das aber wieder bewertet, und welchem System (Vollbeschäftigung vs. Lohngrenze mit Sozialsubventionierung) man den Vorzug gibt ist für die Normalbürger eine Geschmacksfrage und für die Machtpolitiker eine strategisch oder ideologisch wichtige Machtfrage.

Will die Mehrheit eher „stabile“ (gesetzlich/tariflich festgelegte) Lohnverhältnisse und damit soziale Sicherheit, mit den Kosten, dass es immer einen gewissen Prozentsatz Arbeitslosigkeit gibt?
Oder eher eine flexible Lohnfindung, die – bei auch sonst passenden Rahmenbedingungen – für Vollbeschäftigung sorgen würde. Aber: Die weniger soziale Sicherheit durch weniger Konkurrenz-Abschottung für Arbeitsplatzbesitzer und in manchen (allerdings auch dadurch oft erst ermöglichten) Jobs geringere Lohnuntergrenzen bedeuten würde?

Für beide Systeme lassen sich Argumente finden, aber das Zweite passt wohl besser zum heutigen korporatistischen Verteilungsstaat, der sich in Deutschland und in den meisten EU-Staaten etabliert hat.

Aber stellen wir zum Abschluss noch einmal den Menschen in den Mittelpunkt – und nicht nur machtpolitische Erwägungen:

Manche Menschen – wie viele das sollte man empirisch untersuchen – können auch längerfristig mit Sozialhilfe glücklich sein (Berühmteste Beispiele: Dittsche ; ) oder Arno Dübel). Daher ist es, auch für den wählenden Normalbürger (als politischer Untertan, als wirtschaftlicher Konsument und Arbeitender und als sozialer Statusorientierter) eine Abwägungsfrage: Was sorgt für mehr Zufriedenheit?: (Zugespitzt:) Sicherheit – zur Not auch ohne Arbeit. Oder Arbeit – zur Not auch ohne Sicherheit?

Scherzhaft mit wahrem Kern gesagt: Utilitarismus und Machtpolitik, hand in hand for people (s republic).

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