Montag, 14. November 2011

Alternativlosigkeit ist kein Instrument

These: Die u.a. so genannte "Alternativlosigkeit" ist unabhängig von ihrer rhetorischen Instrumentalisierung durch verschiedene Akteure. Sie ist grundstrukturell bedingt und wirkt sich auf die Substrukturen der Gesellschaft aus. Wer richtig rät, hat später "recht" gehabt.

Das Traurige und gleichzeitig Beruhigende ist nach dieser strukturalistischen Perspektive: Die Griechinnen und Griechen haben keine Wahl. Damit geht es Ihnen wie den Finnen (trotz kosmetischer Kompromisse wegen ihrer Protestwahl) oder allen anderen Gesellschaften der Euro-Zone.
Weder mit Volksabstimmung(en) noch ohne: Wenn das System noch tragfähig ist geht es weiter. Wenn nicht, gibt es eine Zäsur. Im derzeitigen griechischen Wirtschaftsprotektorat oder in der gesamten Euro-Zone.

Der Euro ist dann tragfähig, wenn er weiter so existieren kann. Dann hätten Angela Merkel und die 'Pro-Einheits-Euro-Fraktion' (nur rückwirkend so formulierbar) "recht" gehabt. Wenn er sich aufspaltet (z.B. durch Austritte einzelner Staaten, durch eine Aufteilung in einen "Nord-" und einen "Süd-Euro" oder durch Parallelwährungen [z.B. in Griechenland Inland: Drachme, Ausland: Euro]) dann passte er (im Rückblick nachzuvollziehen) nicht (gar nie oder nicht mehr) zum derzeit stattfindenden Zentralisierungs- und Postmodernisierungs-Prozess der EU. Dann hätten (aber eben nur retrospektiv so erzählbar) die Euro-Skeptiker "recht" behalten.

Die u.a. so genannte 'Alternativlosigkeit' liegt in beiden Fällen vor. Sie ist stilistisch (und teilweise auf der Mikro- und Meso-Ebene moralisch) übel, aber bestätigt sich in der Makro-Perspektive rekonstruktiv immer. Technokratischen Machtmenschen wie Wolfgang Schäuble würde man vielleicht gönnen, dass die pathetisch verklärten und sozialpositionell (für Partei und Personen) instrumentalisierte "Rettung des Euro" daneben geht. Den Rentnerinnen und Rentnern und den Menschen, die bereits heute einen großen Teil ihres Arbeitslohnes und Vermögens in staatliche und private Renten- und Anlageformen gesteckt haben (und großteils mit systembedingt verpflichtenden Abgaben stecken mussten) gönne ich es aber nicht, dass das Wirtschafts- und Sozialsystem von der praktizierbaren Illusion (dem wirksamen, weil Dynamik erzeugenden Kredit) zur gescheiterten Illusion (weil zu viele Kredite faul waren bzw. geplatzt sind) wird. Die heutige („moderne“) sozialstaatliche Sicherheit ist auf Krediten gebaut, von denen entweder mehr oder weniger tatsächlich/praktisch durch realisierbares Wirtschafts- und Arbeitspotenzial gedeckt sind. Eine Veränderung zu einem „postmodernen“ Sozialsystem kann sich theoretisch entweder in einem Crash des Veralteten oder aber auch als ein Übergang ohne Zäsur ausdrücken. Wer jung und gesund ist, kann sich auch nach einem Crash wieder etwas aufbauen. Diejenigen, die schon viel in das bisherige System investieren mussten, haben wiederum einen umso größeren Verlust. Und die Alten und Kranken, die ethischen Kern-Adressaten eines anonymen großgesellschaftlichen Sozialsystems, wären bei einem Crash zunächst mittellos. Je nach dem, wie lange es dauern würde, bis danach die Wirtschaft wieder in Gang wäre und die praktische Finanzierung (Kapital) und Durchführung (Arbeitskräfte und Institutionen) des Sozialstaates wieder (in einem gewissen Maße) gewährleistet wäre, würde ein Systemzusammenbruch und Neustart eine mehr oder weniger lange Durststrecke für die nicht (oder nur eingeschränkt) selbstversorgungs- oder lohnarbeits-fähigen Bevölkerungsteile bedeuten. Das ist das einzige aber schwerwiegende Argument für das Hoffen auf einen Erhalt des derzeitigen Wirtschafts- und Sozialsystems in seinen Grund-Versorgungs-Strukturen. Ob der Euro dabei so bleibt wie er ist, sich in seiner Form ändert oder (innerhalb des gleichen Grund-Systems) durch einen Post-Euro abgelöst wird, ist eine Frage der Funktionalität. Keine Kategorie der Moral (auf Mikro- und Meso-Ebene) oder der Ethik (als abstrakte Deutungsorientierung).

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