Das Skandalisieren von kleinen und großen, vermeintlichen, inszenierten und echten Fehlern ist ein soziales "Spiel". Die einen interpretieren es so, die anderen so - nach sozial-situationärem und sozial-charakterlichem "Gusto"/Präferenz (diese "Interpretation" entsteht wiederum letztlich aus der subjektiven, sozial gegebenen Eigenschaft eines Menschen).
Letztlich zählt eines, und das unabhängig davon, ob Guttenberg abgeschrieben hat, Özdemir mit den Bonusmeilen ins Europaparlament und wieder zurück in die "echte" Politik geflogen ist, oder warum Gregor Gysi zwischendurch kurz mal weg war und heute wieder (bzw. immer wieder bei sozialem und medialem Bedarf) den charmanten Salonsozialisten der Linkspartei gibt.
Welche Politikerin und welcher Politiker, welcher Promi oder solche, die es werden wollen, es zu „Ruhm und Ehre“ (Begriffe, die auch heute noch in variierter Form entscheidend und grundlegend sind) bringen, liegt nicht an ihren Skandälchen. Denn man sieht schon an der jeweiligen Rezeption dieser „Fehltritte“, ob ein Promi sozial auf der Welle schwimmt oder nicht – also sozusagen auf die Westerwelle geraten ist.
Beim Einen oder der Einen werden aus handfesten Überschreitungen der Konvention „liebenswerte Fehler, die Ihn/Sie (nur noch) menschlicher" * machen.
Bei dem/r Andern ist es eine „skandalöse Entgleisung etc.“, die die Karriere zerstören kann (viel mehr als Anlass für das Ende der Karriere benutzt werden kann) und den Ruf/das Image prägen kann.
Ob die Guttenbergs und Özdemirs u.s.w. Erfolg haben werden, liegt also an ihrer sozialen Bewertung und nicht an Skandalen. Zumindest wenn diese nicht so groß sind, dass sie die soziale Bewertung (ihr grundlegendes Image) ändern. Und um so beliebter/besser angesehen eine Persönlichkeit (eine Rolle im öffentlichen Leben) ist, um so höher ist die Grenze, bis zu der (inszenierte oder echte) „Skandale“ keine negative Änderung der sozialen (Grund-)Bewertung erzeugen können.
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* Wie ein Mensch noch menschlicher wird als ein Mensch ist zwar schwierig zu beantworten. Aber in den Medien zumindest werden manche Menschen als „Übermenschen“ gefeiert und von der Gesellschaft als solche „Leitfiguren“ akzeptiert. In der Politik versuchen die einen (Parteien) Leitifguren zu schaffen und zu erhalten, die anderen (Konkurrenz) diese bzw. deren Image zu beschädigen und machtpolitisch unbrauchbar zu machen.
Klovkolosch - 19. Feb, 11:59
Dazu passend folgende Forderung eines bekannten Gewerkschafts-Positionierers:
Auszugsweises Zitat von welt online:
Ver.di-Chef Frank Bsirske hat gefordert, dass Angestellte im öffentlichen Dienst ab einem bestimmten Alter unkündbar werden. "Ich trete dafür ein, dass – abhängig von Beschäftigungsjahren und Lebensalter – auch für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst Unkündbarkeitsregelungen gelten", sagte der Gewerkschaftschef der "Rheinischen Post“. Ab welchem Jahr die Unkündbarkeit gelten soll, ließ er offen.
Andererseits sollten Beamte ebenso wie die Angestellten streiken dürfen. Er begrüße ein unterschiedsloses Streikrecht, sagte Bsirske.
Bessere Bedingungen für die, die einen Arbeitsplatz besitzen. In diesem Fall für Angestellte im öffentlichen Sektor. Staatliche Arbeitsplatzgarantien und dazu Streikrecht für Staatsdiener. Eigentlich nett.
Klovkolosch - 31. Dez, 13:40
Die Definitions-Herrschaft über wichtige Begriffe ist einer der zentralen und wichtigsten Punkte politischen Marketings. Mit Begriffen und ihrer Deutung kann das wichtigste in einer heutigen Mediendemokratie geschaffen werden: Das Image.
Oft verwendete Begriffe und besonders symbolhafte und aufgeladene Wörter, in die die Menschen etwas Höheres hineininterpretieren sind wichtig im politischen Status-Wettbewerb.
Begriffe prägen die Kommunikation der Menschen und das öffentliche Verständnis (ohne dass es Gottseidank ein kollektives Verständnis im totalitären Sinne gibt) von dem, was sie beschreiben sollen.
Mit Begriffen schafft man auch "Images", das Hauptwirkungsgebiet des politischen Marketing. In einer medialen Massendemokratie oder medialdemokratischen Großgesellschaft sind Begriffe und (deren und durch sie erzeugtes) Image von etwas die wichtigsten Instrumente der Werbung um direkte und indirekte Zustimmung von gesellschaftlichen Gruppen. Also um demokratisch umkämpfte Macht.
Klovkolosch - 31. Dez, 12:11
Arbeit und Lohn können von politischen und wirtschaftlichen Eliten unterschiedlich verteilt werden:
In der heutigen wirtschaftlichen Organisationsform [in Lohnwirtschaften] ist die Höhe (bzw. die faktischen Kosten) des Lohnes in der Tat einer der entscheidenden Faktoren für die Höhe der Arbeitslosigkeit.
Beispiele für staatliche (gesetzliche) Ursachen für Arbeitslosigkeit
[also das praktische Nicht-Zusammenkommen von Arbeitsangebot (ist vom Menschen abhängig) und Arbeitsnachfrage (ist prinzipiell nicht begrenzt)]
können sein:
Starre Zunftregularien, keine freie Berufswahl oder eingeschränkt erlaubter Wohnortwechsel, die das Reagieren auf regionalen, branchenspezifischen, strukturellen etc. „Arbeitsmangel“ (durch z.B. Umzug, Umorientierung, Umschulung) hemmen oder unattraktiv machen.
In – diesbezüglich – derzeit wirtschaftsrechtlich liberal organisierten Staaten spielt solche feudale Schollenpolitik keine große Rolle (von den Berufskammern als Nachfolger der Zünfte abgesehen).
Grundsätzlich ist es auf Erden so: Arbeit ist genug vorhanden, sie ist nur ungleich verteilt.
Wenn man die Verteilung von Arbeitskräften nach dem jeweiligen Angebot durch starr festgelegte Löhne (Lohnhürde) verhindert oder (durch hohe Steuern oder durch konkurrierende Angebote [wie Sozialtransfers] unattraktiv macht, steigt die Arbeitslosigkeit.
Wenn man Vollbeschäftigung (herrschaftspolitisch) wollen würde, hätte man wohl zwei Möglichkeiten:
1. Man müsste öffentlich subventionierte Arbeitsstellen (im öffentlichen Sektor oder z.B. nach Keynes mit „Löcher buddeln und wieder zuschütten“) schaffen. Dann müsste die Leistungsfähigkeit der wertschöpfenden „freien“ Wirtschaft, die diese unproduktiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ja finanzieren muss, aber deutlich steigen.
2. Man senkt die Löhne in den Bereichen, in denen sie durch Tarif- oder Mindestlöhne über dem Produktivitätsniveau liegen, auf ein dem Gegenwert dieser Arbeit entsprechendes Niveau ab. Das ginge in der Praxis aber nicht per Gesetz, sondern nur durch freie, das heißt am Markt gebildete Löhne. Dann würde viele Arbeit getan werden können, deren Angebot sich heute nicht lohnt. Aber: Das würde gegen etliche Interessen im etablierten korporatistischen Wirtschaftssystem verstoßen:
Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber-Verbände würden ihr Aushandlungsmonopol verlieren.
Die linkspopulistischen Politiker (aller Parteien) würden Sturm laufen und mit Hilfe der linken Medienmehrheit sogar in Bayern (haha, ich weiß da regiert ja bereits die populistisch bisher sehr geschickte CSU) eine schwarz-rot-rote Koalition erreichen.
Was aber für uns, als Normal-Bürger zählt: Es würde viele Jobs mit (für westlich-kapitalistische Verhältnisse) geringer Bezahlung geben. Und hier stellt sich die Frage eben auch für den Normalbürger und „Konsumenten“ bzw. „Nachfrager“ von politischen Herrschaftsangeboten:
Wäre Vollbeschäftigung denn wirklich so dufte?
Vollbeschäftigung im öffentlichen Sektor mit netten Jobs in Verwaltung und beim Löcherbuddel-Amt: Ok.
Aber: Viele neue marktwirtschaftlich nützliche und sinnvolle Jobs, die aber relativ (im Vergleich zum Durchschnitt -> und „niemand“ will natürlich Durchschnitt sein, aber Mitte und Mainstream wollen halt doch die meisten irgendwie sein, so auch beim Gehalt – mindestens.) wenig Gehalt bringen?
Gegenmodell: Sozialstaat und Lohngrenze
Das heutige Modell hat auch seine Vorzüge, auch wenn es mit mehr oder weniger großer Arbeitslosigkeit umgehen können muss (Also das Modell muss damit nicht umgehen, sondern die Menschen, die dieses heutige Modell [passiv oder aktiv] mehrheitlich tragen).
Es sorgt für Lohnuntergrenzen (Tarif- und Mindestlöhne etc.) und jeder der so produktiv ist, dass sich seine Arbeit für dieses Mindestgeld noch lohnt, bekommt eine Arbeit und profitiert von der Grenzziehung. Denn die die nicht an die Produktivitäts-Lohn-Grenze kommen, erhalten keine Arbeitsstelle und dadurch ist die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Leute oberhalb der Lohngrenze geringer -> Weniger Stress, weniger Leistungsdruck.
Negativ ausdrücken kann man das natürlich auch: Die Arbeitsplatzbesitzer werden auf Kosten der Unflexibilität des Arbeitsmarktes (und damit der wirklich primär arbeitsuchenden Arbeitslosen) von „Billigkonkurrenz“ abgeschottet. Das sorgt für eine hohe Sockelarbeitslosigkeit.
Wie man das aber wieder bewertet, und welchem System (Vollbeschäftigung vs. Lohngrenze mit Sozialsubventionierung) man den Vorzug gibt ist für die Normalbürger eine Geschmacksfrage und für die Machtpolitiker eine strategisch oder ideologisch wichtige Machtfrage.
Will die Mehrheit eher „stabile“ (gesetzlich/tariflich festgelegte) Lohnverhältnisse und damit soziale Sicherheit, mit den Kosten, dass es immer einen gewissen Prozentsatz Arbeitslosigkeit gibt?
Oder eher eine flexible Lohnfindung, die – bei auch sonst passenden Rahmenbedingungen – für Vollbeschäftigung sorgen würde. Aber: Die weniger soziale Sicherheit durch weniger Konkurrenz-Abschottung für Arbeitsplatzbesitzer und in manchen (allerdings auch dadurch oft erst ermöglichten) Jobs geringere Lohnuntergrenzen bedeuten würde?
Für beide Systeme lassen sich Argumente finden, aber das Zweite passt wohl besser zum heutigen korporatistischen Verteilungsstaat, der sich in Deutschland und in den meisten EU-Staaten etabliert hat.
Aber stellen wir zum Abschluss noch einmal den Menschen in den Mittelpunkt – und nicht nur machtpolitische Erwägungen:
Manche Menschen – wie viele das sollte man empirisch untersuchen – können auch längerfristig mit Sozialhilfe glücklich sein (Berühmteste Beispiele: Dittsche ; ) oder Arno Dübel). Daher ist es, auch für den wählenden Normalbürger (als politischer Untertan, als wirtschaftlicher Konsument und Arbeitender und als sozialer Statusorientierter) eine Abwägungsfrage: Was sorgt für mehr Zufriedenheit?: (Zugespitzt:) Sicherheit – zur Not auch ohne Arbeit. Oder Arbeit – zur Not auch ohne Sicherheit?
Scherzhaft mit wahrem Kern gesagt: Utilitarismus und Machtpolitik, hand in hand for people (s republic).
Klovkolosch - 30. Dez, 19:18
Die FDP ist inhaltlich nicht mehr relevant, als Feindbild aber noch sehr wichtig für ihre politische Konkurrenz.
Das heißt: Was die FDP konkret politisch fordert oder sagt, spielt maximal noch eine Nebenrolle. Ihre Wichtigkeit als Anti-Bild, als Instrument für die anderen etablierten Parteien und das heutige politische System (das sich in einigen Teil-Bereichen und dadurch insgesamt in einer Krise befindet) ist (gerade dadurch ermöglicht) sehr wichtig.
Die Medien schreiben nur noch negativ über "die FDP" und der Wähler projiziert alle Abneigung, die er gegen die Politik allgemein und das heutige System des 'koordinierten Wohlfahrtsstaates' hat, auf die FDP. Zugespitzt lautet die Feindbild-Charakterisierung so:
"Nur" von der FDP kommt Lobbyismus, alle anderen Parteien machen keine Klientelpolitik. Nur die FDP ist für die "bösen" Wirtschaftsinteressen. Alle anderen Parteien handeln altruistisch und sozial. Nur die FDP ist schuld daran, dass der Staat verschuldet ist - und gleichzeitig daran, dass der Staat zu viel spart, u.s.w. Am schlechten Wetter ist die FDP auch noch schuld.
Der FDP wurde die soziale Rolle des "Teufels", des "Feindbildes" zugewiesen. Das ist eine aus soziologischer Sicht wichtige Rolle. Aber diese Rolle kann sie nur spielen, wenn sie weiter über die 5%-Hürde kommt. Daher ist es gerade im Interesse der Konkurrenzparteien der FDP, dass die FDP weiterhin als Buhmann instrumentalisiert werden kann.
Das instrumentalisierte Feindbildschema scheint bei vielen Menschen zu funktionieren. Wenn es funktioniert und weiterhin funktioniert, können alle anderen politischen Akteure so bleiben, wie sie sind, denn: Die FDP ist ja an allem schuld.
Aus neoliberaler Gesellschafts-Struktur-Kritik könnte man sagen: Dadurch verhindert das System, dass es ernsthafte Reformen machen muss - bzw. schiebt die unausweichlichen Strukturanpassungen/-änderungen nach hinten auf. -> "Hauptsache nicht in meiner Wahlperiode".
Aus neomarxistischer Sicht könnte man sagen: Dadurch sondert das System ein zum Sündenbock bzw. zur Abreaktion der Massen geschaffenes Feindbild aus - in diesem Fall hätte es die FDP als Vertreterin einer kleinen Minderheitspartei erwischt. Um dadurch das System als Ganzes zu stabilisieren und die Hegemonie der herrschenden Strukturen und Akteure (im deutschen Fall: korporatistischer Kapitalismus und die 2 [oder 3] großen Parteien) zu stärken.
Aus beiden Sichtweisen handelt es sich bei der Instrumentalisierung der FDP als Feindbild und massen-(mediales) Hassobjekt - mit Guido Westerwelle als Personifikation - um eine Abwehrreaktion des heutigen herrschenden bzw. etablierten politischen Systems.
Seba96 - 18. Dez, 15:06
Wichtig in der Entwicklung des Geldes ist, meiner derzeitigen Perspektive nach, dass nicht zu viele zu oft sagen a) "Warum arbeiten, wenn das Geld sich auch ohne vermehrt." oder b) "Warum arbeiten, wenn ich mit meiner Lohnarbeit sowieso kein Eigentum ansammeln kann?"
Die Kräfte des ausgeglichenen Lebens und der Mensch als "arbeitendes Wesen" könnten dagegensprechen und Arbeit - nicht nur als Idee, sondern auch praktisch - praktiziert bleiben lassen. Sonst kann man es auch bleiben lassen.
Klovkolosch - 6. Dez, 12:37
Punks pro schwarz-gelb?
Eine nicht ganz ernste und doch kulturphilosophische Betrachtung.
Die folgende Perspektive kann vielleicht zum Nachdenken über die eigene soziokulturelle Position, deren "Ursachen", Motive und Bezugspunkte anregen. Nachzudenken über eine eventuell bestehende, subjektiv oder intersubjektiv feststellbare, komplementäre und wichtige Beziehung zwischen scheinbaren (oder echten?) Gegensätzen. Gegenstand dieses Textes sind gegensätzliche Positionen, die sich auf die gleichen kulturellen Strukturen und Gegebenheiten beziehen, also deren Vertreter z.B. in der gleichen Gesellschaft leben und sich zu dieser positionieren und in diesen sozial "eingebettet" sind. Diesbezüglich sind die zwei "Gegenpositionen" grundsätzlich also unterschiedliche Perspektiven auf einen (den gleichen, aber unterschiedlich interpretierten) Gegenstand. Die These lautet: Beide Positionen brauchen einander, weil sie ohne eine Kontrastposition nicht unterscheidbar, nicht abgrenzbar und damit praktisch nicht vorhanden wären.
Dafür verwende ich im Text folgende zwei symbolischen Akteure:
1. Den Punk als Kultur, als zusammenfassendes Symbol für die (intern auch ausdifferenzierte) kulturelle Haltung und Subkultur des Punk.
2. Die CDU/FDP-Regierung als abstrakte Zusammenfassung, als Begriff "schwarz-gelb" als ein kulturelles Symbol.
Die Grundfrage meines Textes: Ist diese Symbolisierung - Punk und schwarz-gelb - wichtig, um den heutigen Punk in Deutschland überhaupt einen Bezugspunkt zu geben, "gegen" den er (mit Pauschalierungen und mit für viele unterhaltsamen Vereinfachungen) "rebellieren" kann? Braucht der Punk, der ja schon qua Existenz eine Rebellion - "Wir sind anders" - darstellt, um Anders zu sein ein Gegenstück/Gegenüber, das für beide Seiten identifizierbar ist, weil es sich bewusst auch wiederum als anders gegenüber Punk definiert/positioniert?
These: Punks sollten Pro Merkel sein*
Die unabdingbare Funktion des "Gegners" als Kontrast. Als klarer Bezugspunkt, der Unterscheidbarkeit ermöglicht
Schwarz-gelb ist als Symbol gewordene (sagen wir mal zusammenfassend) kulturelle Bürgerlichkeit für Punks wichtig und daher eigentlich wünschenswert. Als Antipode - der so zugespitzt eigentlich nur konstruiert, aber praktisch sehr gut verwendbar ist (als mehr oder weniger lockere Art des Feindbilds). Als dazugehörendes Gegenstück, als Bezugspunkt der "Rebellion (?)", als Kontrast. Der "klare Gegner" - zumindest klar definierbar - auch wenn hier Pauschalierungen, inhaltliche und analytische Vereinfachungen notwendig sind, um diesen "Gegner" auch als klares Gegenüber zu konstruieren. Die vielen menschlich-kulturellen-sozialen Dinge, in denen man gar nicht so unterschiedlich ist, lässt man dabei bei Seite. So lange man diese Gemeinsamkeiten nicht in Abrede stellt, sondern sich bewusst nur auf die Unterschiede/Zuspitzungen/Kontraste konzentriert und sich mit diesen auseinandersetzt (kritisch, polemisch, satirisch, scherzhaft, etc.), ist das auch ein nicht unbedingt destruktives Mittel: Die Gesellschaft braucht Kontraste, braucht Reibungspunkte, muss unterschiedliche Positionen/bestimmte (menschliches Leben ausmachende) Ungleichheit/Vielfalt etc. sowohl argumentativ austragen, als auch z.B. durch kulturelle Diviersifizierung (durch Aufteilung in verschiedene Lebensstile, Lebensgestaltungs-Möglichkeiten etc.) aushalten.
Auch das spricht dafür, dass der Punk (als Abstraktum) und Punks (reale, mehrschichtige Menschen, aber hier speziell als Vertreter des Punk[-Gedankens]) eine Kontrast-Regierung favorisieren "sollten". In Deutschland ist diese Kontrastregierung am Eindeutigsten 'schwarz-gelb'. Durch diese relative Eindeutigkeit wird für den Punk - und die Allgemeinheit - die Unterscheidung Regierungs-Ideale/-Politik vs. Punk-Ideale/-Haltung deutlich. Man kann sich mit diesen erkennbaren (teils wie gesagt bewusst überbetonten) Unterschieden, zumindest kulturell-symbolisch, wunderbar reiben.
Im Sinne einer für Abgrenzungen und Selbstdefinitionen (in einer komplexen pluralistischen Welt) fruchtbaren/ergiebigen Gegenüberstellung: Bürgerliche Ordnung symbolisiert von schwarz-gelb <-> "Anti-bürgerliche" "Chaos"-Symbolik des Punk.
Eine (vermeintlich bzw. so konstruiert) ganz andersartige Regierung, die mit ihrer Anderssein (vermeintlich ganz anderen Wertvorstellungen, Prioritäten, etc.) - wenn auch nicht bewusst angestrebt - als Positionierungs- und Selbstdefinitionshilfe für den Punk dient. Für den Punk als abstraktes Ideal/Haltung/(Sub)Kultur, und auch für den Punk(er)**, der (mehr oder weniger aktiv/bewusst) durch seine Anti-Haltung wohl immer auch mindestens ein bisschen politisch positioniert ist.
Andere, "gute" Regierungskonstellationen erfüllen diese Funktionen nicht oder schlechter
These: Lieber eine CDU/FDP-Regierung, die sich selbst ernst nimmt, als eine pseudocoole/pseudolässige und eventuell damit viel spießigere z.B. SPD-Regierung.
Ernsthafte Gegnerschaft kann sinnvoller sein, als unaufrichtigte/falsch verstandene/"halbe"/oberflächliche Freundschaft. Eine solche "gut meinende" Regierung bietet weder klaren Kontrast (im Sinne von Siehe oben), noch wahre Übereinstimmung an. Sie wird durch ihre (ernsthaft oder nur aus Wahltaktik) gutmeinende "Wir verstehen uns doch"-Rhetorik in der Praxis auf andere Art zum spießigen, aber nicht klar greifbaren Gegner, der gar kein Gegner sein will und auch nicht so gut sein kann. Dabei aber vermutlich auch noch - in etwa: "Wir tun doch was für Euch" - meist noch langweilig und humorlos.
Gegen so eine Regierung zu rebellieren macht deutlich weniger Spaß und ist schwierig als Sinn zu empfinden/konstruieren/aufzubauen etc. Der Sinn der "Arbeit" des Punk/des Punkseins ist unter einer solchen "gutmeinenden" Regierung mindestens gehemmt, und drohte vielleicht subjektiv empfunden "sinnlos" zu werden - zumindest ohne klare/gut zu findende Betätigungsmöglichkeit, ohne relativ eindeutigen Konfliktlinien. Denn eine "gute", links-moderate Regierung möchte ja auch immer der "Freund" der Subkulturen, so auch teilweise des Punk, sein. Ein Freund, der aber nicht wirklich einer sein kann: 1. Weil er den Punk nicht wirklich versteht, in seiner (zumindest subjektiv empfundenen) Radikalität und Andersartigkeit gar nicht verstehen will (oder kann). Er möchte einen Punk mit bunten Haaren, der ansonsten dem Weltbild des links-liberal-modernen "verständnisvollen" Establishment-Linken entspricht. Tut er das nicht, ist der "gute" Politiker oft enttäuscht und verwirrt und "versteht den jungen Menschen nicht mehr". Der Punk will aber (meiner Vermutung nach) gar nicht auf diese oberflächliche Art "verstanden" werden - vielleicht will er überhaupt nicht so verstanden werden - im Sinne von "wieder integriert" in die "Gesellschaft" durch wohlmeinende, linksmodernistische Politiker, die nur sein "Bestes" wollen - und seine Stimme bei der Wahl vielleicht auch.
Der echte bürgerliche Politiker - derzeit nicht mehr so oft anzutreffen in der großen Politik - der konservative Haudegen, der liberale Prinzipienpolitiker etc. will den Punk gar nicht auf diese Weise ("Ich mag Dich, also wähl mich") "verstehen". Er gibt nicht den "guten Onkel", sondern den strengen Kontrapunkt - und das ist notwendig für beide Seiten. Wenn auch nicht im Carl Schmitt'schen Sinne des unveröhnlichen Gegners, sondern verstanden als soziale Konstruktion von Pro und Contra, die einander oft gar nicht wirklich so unähnlich sind. Denn wir alle sind Menschen und haben viele Gemeinsamkeiten. Aber die einander brauchen, eben auch als Kontraste, als Komplementäre, zur Verdeutlichung der eigenen Position in einer oft (zu) relativistischen und damit Eigenheiten nivellierenden aktuellen Kultur.
Dies war eine kulturell sowohl Punk als auch Bürgerlichkeit ernst nehmende Perspektive. Trotzdem mit dem Augenzwinkern und dem Bewusstsein, dass die Unterschiede betont werden müssen, aber man nie die (im allgemeinen stärker gegebenen) Gemeinsamkeiten vergessen sollte.
Aus dieser Perspektive wäre es im intersubjektiven und subjektiven Sinne logisch fast schon geboten, wenn Punk(s) sich so positionieren würden: Punks pro Schwarz-Gelb.
Danke für die Aufmerksamkeit.
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* Inhaltlich-kulturell sollte man besser sagen: Pro schwarz-gelb sein, denn Angela Merkel konnte und könnte vermutlich jederzeit auch ohne große inhaltlich-symbolischen Veränderungen in einer Großen Koalition pragmatisch [weiter]regieren und steht nur derzeit für schwarz-gelb. Schwarz-gelb selbst wandelt sich auch, bleibt aber immer im Kontrast zu schwarz-rot oder rot-grün etc..
** Ich sage/schreibe normalerweise nicht Punker, das ist ja uncool ;-). Das steht nur zur Verdeutlichung da, dass es um den Punk(er) als Person und nicht den Punk als Kultur/Haltung/etc. geht. Mit Punk(er) ist immer auch die weibliche Punk(erin) - Punkesse? - gemeint.
Klovkolosch - 20. Nov, 16:16